Wie lassen sich zwei sehr kontrastreiche Sportarten effektiv im Training miteinander verbinden, ohne dass eine Partei in irgendeiner FORM einbüßen muss? Konkret: Wie kann man neben fokussiertem Krafttraining auch effektiv an seiner Ausdauer arbeiten?
Die Angst vor dem Formverlust bzw. Muskelschwund
Wir alle wissen, wie die eisern aufgebaute Muskulatur der Kraftsportler mütterlich umsorgt wird. ‚Cardio‘ gilt als auslaugende Bedrohung und dient höchstens als kurzes WarmUp.
Aber wie heißt es doch überall? Ob beim Erste Hilfe Kurs oder im Training – immer mit der Ruhe! Darin liegt die (bleibende) Kraft, sofern man bei der eigenen Trainingsplanung ein paar Dinge berücksichtigt.
Fest steht: Weder der Kraftsportler bekommt nach wenigen Läufen gleich Storchenbeine noch geht der Quadrizeps eines Läufers nach zwei drei Squads sofort auf wie ein Ballon.
Jeder Körper braucht Zeit, um sich anzupassen. Nichts geschieht (verwandelt oder verflüchtigt sich) von jetzt auf gleich. Sofern wir als Kraftsportler also die zusätzlichen Ausdauereinheiten zeitlich sinnvoll unterjubeln, auf eine adäquate Energiezufuhr achten (gemessen an Qualität, Menge und Essenszeit) und die Muskulatur wie bisher nutzen (also effektiven Trainingsreizen aussetzen), dann braucht sich der Kraftsportler keine Sorgen zu machen, dass seine Statur ‚Lauch’igen Anschein macht – er wird höchstens definierter und zeitgleich leistungsfähiger!
Aber zuerst die Basics…
Welche Effekte bringt ein Ausdauer- bzw. Krafttraining mit sich?
Beim Krafttraining lernt im ersten Schritt zunächst das zentrale Nervensystem, mehr Muskelfasern innerhalb des Muskels anzusprechen, sodass im Endeffekt mehr Kraft generiert werden kann. Erst im weiteren Verlauf kommt es dann zur Dickenzunahme der einzelnen Muskelfasern und dadurch zu der sichtbar gesteigerten Muskelmasse.
Beim Maximalkrafttraining (auch neuromuskuläres Krafttraining genannt) wird die intramuskuläre Koordination angesprochen, die für eben jene Rekrutierung von mehr Muskelfasern innerhalb eines Muskels verantwortlich ist. Allerdings ist die Belastung beim Maximalkrafttraining aufgrund der hohen Intensitäten bei weniger Wiederholungen im Training sehr fordernd und kann deshalb nicht Jahres-durchgehend betrieben werden. Aus diesem Grund wird im Kraftsport wie auch im Ausdauerbereich das Training periodisiert.
Während ich also in den Wintermonaten vorrangig an meiner Grundlagenausdauer arbeite und im Frühjahr (und im Hinblick auf Wettkämpfen) das Training spezifiziere, wechselt auch der Kraftsportler zwischen:
Muskelaufbau (Hypertrophie)
Beim Hypertrophie-Training nimmt nicht die Menge an Muskelfasern zu, sondern die einzelnen Muskelfasern werden dank Proteinbiosynthese dicker. So regt eine gezielte Reizsetzung als auch ausreichende Eiweißzufuhr den Muskel an, an Masse zuzunehmen.
Ablauf: circa 4-5 Sätze à 8 bis 12 Wiederholungen bei 60-70% derMaximalleistung (Intensität nimmt pro Satz zu) und einer Satzpause von 1,5-2min
Jahresperiodisierung: circa zwei Mal à 8 Wochen im Jahr
Maximalkraft (neuromuskuläres Krafttraining)
Ablauf: circa 7 Sätze à 6-2 Wiederholung (Anzahl an Wiederholungen nimmt pro Satz ab) bei bis zu 90% der Maximalleistung und einer Satzpause von 3-5min (je höher die Intensität, desto länger müssen die Satzpausen sein)
Jahresperiodisierung: circa zwei Mal à sechs Wochen im Jahr
Kraftausdauer (Kapillarisierungstraining)
Hierbei steht die Belastungsdauer anstelle der Belastungsintensität im Vordergrund, was vorrangig der Optimierung von Stoffwechselprozessen innerhalb des Muskels dient. Es könnte auch als schonender und gleichzeitig regenerativer Aufbau beschrieben werden. Die verbesserte Kapillarisierung, die mit unter auch allgemeines Ausdauertraining bedingt, bringt eine Vergrößerung des Kapillaren-Querschnitts und Zunahme an Kapillaren mit sich. Beides versorgt die Muskulatur mit mehr Blut und Nährstoffen, was sich wiederum positiv auf die Leistungsfähigkeit auswirkt.
Ablauf: circa 3 Sätze à 15 bis 25 Wiederholungen bei circa 35 % des Maximalgewichts und einer Satzpause von einer 1-1,5 Minuten
Jahresperiodisierung: 4 bis 6 Wochen im Jahr
Der Kraftsportler kann in den Wintermonaten also von dem weihnachtlichen Überschuss wunderbar zehren und effektiv als ‚Massephase‘ nutzen und dann beispielsweise Richtung Frühjahr mit Maximalkrafttraining fortfahren.
Wichtig ist, dass die zahlenmäßigen Beispiele vom Individuum, der Übung und der angestrebten Wiederholungszahl abhängen.
Wir unterscheiden zwischen drei Muskelfaser-Typen
- slow-twitch-Fasern (ST-Fasern), also die langsamen, dafür aber ermüdungsresistenten/ausdauernden roten Fasern (rot, aufgrund einer guten Kapillarisierung).
- Der Intermediärtyp (FTO-Fasern), also die die mittelschnellen Fasern, welche man auch als Übergangs-Fasern betrachten kann, wenn man als fokussierter Ausdauerathlet vermehrt Krafttraining betreibt oder andersherum, der Kraftsportler mehr Ausdauereinheiten in sein Training einbaut.
- fast-Twitch-Fasern (FT-Fasern), also die reaktionsschnellsten, aber gleichzeitig auch schnell ermüdenden Fasern, die eine kräftige, explosive Kontraktion ermöglichen.
Du hast es im Blut
Es ist genetisch bedingt, zu welchem Muskelfaser-Typ man tendiert. Jeder ist gewisser Maßen von der Geburt an dazu prädestiniert, eher der Sprinter (FT-Fasern) oder Marathoni (St-Fasern) zu werden. Interessant ist, dass sich FT-Fasern dem aktuellen Gebrauch anpassen. Wenn ein genetischer Sprinter über längere Zeit nur Ausdauereinheiten praktiziert, wandeln sich seine Muskelfasern zwar in ST-Fasern um, behalten aber ihre grundsätzlichen FT-Eigenschaften und können sich bei entsprechender Beanspruchung auch schnell wieder zurückverwandeln. Anders die ST-Fasern: Ein “gebürtiger Marathoni“ wird mit noch so viel Training nie der Sprinter werden.
Beim Ausdauertraining wird vorrangig das Herz-Kreislauf-System trainiert und dabei der aerobe und anaerobe Stoffwechsel verbessert. Darüber hinaus wird die Glukoseaufnahme in den Muskeln optimiert, mehr Mitochondrien (die ‚Kraftwerke‘ in den Zellen – also auch Muskelzellen) und Kapillaren gebildet, welche eine bessere Energie-Bereitstellung und Sauerstoff-Transport ermöglichen. Darüber hinaus wird das Herz kräftiger und gewinnt an Pumpkraft, sodass bei Belastung eine größere Menge Blut befördert werden kann. Zudem sinkt der Ruhepuls, was auch meinen Hausarzt anfangs beunruhigte, als er noch nicht über meinem laufenden Background Bescheid wusste.
Während bei erhöhter Belastung anfangs noch die Atemfrequenz steigt, gleicht dies ein Trainierter vermehrt durch ein gesteigertes Atemzugvolumen aus. Tiefere Atemzüge bedeuten hierbei einen geringeren prozentualen Anteil von Totraumbelüftung und dadurch eine ökonomischere Atemarbeit.
Was der Kraftsportler zurecht am Ausdauersport kritisiert
Beim Ausdauertraining wird die Proteinsynthese reduziert, weil sie zu viel Energie kostet. Es werden aber relativ viele Proteine für die Mitochondrien Resynthese benötigt (deshalb soll ja auch der Ausdauersportler ausreichende Menge an Proteinen zu sich nehmen). Bedeutet für das ergänzende Ausdauertraining eines Kraftsportlers, die Ausdauereinheiten nicht ausufern zu lassen, weil durch die gehemmte Proteinsynthese auch der Muskelaufbau gebremst ist – das dürfte aber erst bei sehr langen Ausdauereinheiten mit sehr niedriger Intensität der Fall sein.
Trotzdem sprechen viele der genannten Punkte dafür, dass sich extra Ausdauereinheiten positiv auf das eigene Krafttraining bzw. die Leistungsfähigkeit auswirken. Zudem wirkt sich die verbesserte Durchblutung positiv auf die Regeneration aus, sodass eine moderate Ausdauereinheit nicht nur einen unterstützenden Trainingseffekt hat, sondern dank effektiver Erholung das Training wieder frühzeitig möglich macht. Und last but not least kann mit einer verbesserten Ausdauer eine höhere Anzahl von motorisch komplizierten Bewegungsabläufen trainiert werden, was letztlich auch nicht unerheblich zur Gesamtverbesserung beitragen dürfte.
Unterm Strich profitiert der Kraftsportler von zusätzlichen Ausdauereinheiten dank einer verbesserten Versorgung der Muskulatur sowie Steigerung der maximalen Leistungsfähigkeit.
Der Beitrag ist in Zusammenarbeit mit Univ. Prof. em. Dr. med. Klaus-Michael Braumann entstanden (Präsident Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP)), der mich während meines Studiums am Institut für Bewegungswissenschaften auch im Fach Sportmedizin unterrichtet hat.
Fotocredit des Beitragsbildes: Inger Diederich