Warum ich in Berlin laufe?
Diese Frage stellte ich mir in Woche vor der City Night in Berlin häufiger. Nachdem ich mir mein Bein unglücklich im Training gereizt hatte und die Tage erst einmal kürzer treten musste, war ich verunsichert, ob ich wirklich starten sollte. Warum genau mein Bein nörgelte, weiß ich nicht – ob leicht gezerrt, verhärtet oder nur überlastet -, fest stand, die 10km würde ich schwer Elite-gerecht hinter mir bringen können.
Denn es waren nicht nur die 10km, sondern auch mein erster offizieller Start im Elite-Feld.
Trotzdem, es motiviert natürlich umso mehr, eine ordentliche Zeit auf den Ku’Damm zu legen. Aber ich war mir unsicher, inwiefern ich meinem Anspruch tatsächlich gerecht werden könnte.
Am Freitag – einen Tag vor dem Rennen – war ich soweit, den Lauf für mich abzuhaken und nicht nach Berlin aufzubrechen. Ich stand bereits am Busbahnhof und ließ den Flixbus jedoch einfach abfahren, nachdem er bereits eine gute halbe Stunde Verspätung hatte – war vielleicht auch ein Zeichen?!
Ich wollte also vernünftig sein bzw. ich musste es sowieso lernen, vernünftig zu sein. Aber die richtige Einsicht kam eigentlich erst einen Tag später…
#rasendunterwegs – auf und/oder neben der Strecke
Stimmt… da war doch was!
Warum sollte ich also nicht trotzdem nach Berlin fahren? Ich laufe normalerweise ja auch nicht jedes Rennen mit – obwohl ich für den Fall eigentlich immer ein Paar Laufschuhe dabei habe.
Ich packte also aufs Neue meine sieben Sachen – die eigentlich drei sind (Laptop, Laufschuhe, Handy) – und nahm den Bus um 10:45 Uhr nach Berlin.
Dieses Mal verlief alles reibungslos und Kilometer für Kilometer fühlte sich die Entscheidung richtig an.
Bis sich ein neues Fragezeichen einschlich:
Und wenn ich nur die 5km laufe?
Da saß ich also im Bus und kam wieder ins Grübeln. Ich hätte selbst nicht damit gerechnet, dass die rasende Reporterin nicht doch noch spontan auf irgendeine Möglichkeit stößt, ihrer Raserei gerecht zu werden. Außerdem bestünde die Möglichkeit, bei 5km vielleicht auch dem eigenen Anspruch gerecht zu werden.
Oder?
Macht es überhaupt einen Unterschied, ob 10km oder 5km?
Manchmal spielen wir mehr Rolette als Schach. Und so klug wie wir zuweilen handeln, so dumm schubsen wir uns in das nächste vermeidbar gewesene Debakel. Im Nachhinein sind wir immer schlauer, trotzdem reizen wir unsere körpereigene Resistenz gerne aus.
Leider oder zum Glück gehen gewagte Entscheidungen oft gut aus und man fasst Mut, es das nächste Mal aufs Neue zu riskieren.
Immer dieser blauäugige Optimismus
Trotzdem muss dazu sagen, dass ich tief in mir drinnen eigentlich immer weiß, wann ich lieber einen Schritt zurück machen muss. So wagemutig und übereifrig ich die Dinge also angehe, die Vorsicht bleibt im Grenzfall nicht links liegen.
Richtig, Grenzfall. Also es muss schon einiges zusammenkommen, damit ich mich gegen eine bewegte Angelegenheit entscheide. Bzw. es bleibt häufig ein gewissen Restrisiko übrig…
Wenn mir aber das Gefühl leise verrät, dass es machbar ist, lass ich mir den körpereigenen Zuspruch nicht zwei Mal sagen. Wenn mir also die Möglichkeit aufgezeigt wird, da geht vielleicht doch was → Try!
Ich holte mir noch Tipps und Ratschläge ein und meldete mich schließlich kurzfristig auf die fünf Kilometer um.
Die Rechtfertigung beinhaltete folgende Argumente:
- Laufen ging die Tage schließlich, nur wie schnell im Wettkampf würde sich dann am Abend schon zeigen.
- 5km sind nun Mal nicht 10km und auch wenn ich Pace-technisch aufdrehe, dauert die Belastung nur halb so lang (wobei an dieser Stelle das Gegenargument kam, dass das Tempo über 5km meist höher als das auf 10km ist und somit die Sorge, nicht Tempo machen zu können, eigentlich bei fünf gerechtfertigter ist) – trotzdem gab ich das Argument „kürzere Belastung“ mehr Gewicht.
- Man bekommt nicht alle Tage die Gelegenheit im Elite-Feld zu starten. Eine besondere Erfahrung, die sich die rasende Reporterin eigentlich nicht nehmen lassen wollte. Schließlich ist es eine weitere Möglichkeit, seinem Spitznamen alle Ehre zu machen (aufs neue ein Gegenargument: Wenn aber die Gefahr besteht, seine Leistung eigentlich nicht gänzlich abrufen zu können, fällt der Legitimations-Versuch des eigenen Spitznamens aber sowieso unterm Tisch) – trotzdem, es reizte mich mehr die Aussicht auf den Elite-Start Ganz nach dem Motto: „No risk no fun!“ auch wenn das zuweilen unschöne Folgen mit sich bringen kann…
- Ein weitere lukrative Aussicht waren all die Leute, die ich in Berlin treffen würde und besonders meine ‚Schwester‘ alias Katharina Nüser, mit der ich aufs Neue ein sportliches Event in unseren Zwillings-Memoiren verbuchen könnte. Aber diese Chance würde sich mir schließlich auch ohne zu laufen auftun. Wenn ich also nur als rasende Reporterin am Start gewesen wäre, hätte ich noch immer von diesem Wochenende zehren können – läuferisch allerdings natürlich umso mehr.
Fazit: Ich fand mich nach einem ausgiebigen WarmUp schließlich 19:50 Uhr an der Startlinie ein und polte meinen Fokus auf die nächsten 5km.
Weil der Lauf mal wieder spontan zur Stande kam und ich fünf Stunden vorher eigentlich nicht davon ausging, dass mich mal wieder der Fieber überrollt, war ich nicht optimal vorbereitet.
Wie das so üblich ist… die Laufschuhe waren zwar wie sonst auch im Gepäck verstaut aber die Laufuhr hatte ich bewusst Daheim liegen lassen, um der Versuchung zu widerstehen. Außerdem hatte ich bereits einen längeren lockeren Earlybird in den Knochen – weil wie gesagt, laufen ging zwar, aber Intensität bzw. Tempo blieb diese Woche bewusst aus. Und vor einer längeren Busfahrt sollen auch meine Beine noch auf ihre Kosten kommen.
Einfach rollen lassen
Erst Hinfahrt tat sich mir wie gesagt die Möglichkeit mit den fünf Kilometern auf. Also blieb mir nicht anderes übrig, als am Abend ohne Uhr nach Gefühl zu laufen und die Beine einfach rollen zu lassen – was vielleicht auch gar nicht so schlecht war.
Überraschend kam am Ende eine neue persönliche Bestzeit und Platz Drei heraus – 18:50min (Durchschnitts-Pace: 3:46min/km).
Ich musste wieder ein wenig über mich lachen, aber gleichzeitig machte ich mir auch ein wenig Sorgen: „Immer dieser blauäugige Optimismus.“
Ich sagte mir also bewusst: pass auf! Bedankte mich aber gleichzeitig bei meinem Körper, dass er mich wieder heil ins Ziel brachte.
Nach einer kurzen Nacht ging es etwas gerädert in der Früh acht Kilometer Shake-out-laufend durch Berlin und schließlich mit meinem treuen Gefährten von Flixbus zurück nach Hause.
Fazit: Schwein gehabt und Glück empfunden! Letzteres durch die vielen Leute, die ich treffen durfte. Durch die Freundschaften, die ich genießen darf und natürlich die Chance, als laienhafte Elite-Läuferin an einem besonderen Event teilgenommen zu haben!