Dank des zweirädrigen Gefährtes konnte die rasende Reporterin noch einmal am Tempo schrauben und als Radbegleitung von Hendrik Pfeiffer beim 21. RheinEnergie Köln Marathon exklusive Einblicke sammeln (Hier geht’s zum Video-Beitrag).
Das mobile ‚Update‘ entpuppte sich zwar als keine aktuelle Version und forderte im Gegenzug entsprechende Fitness, aber trotzdem fiel es mir als radelnde Reporterin deutlich einfacher, an der Spitze dran zu bleiben.
Das erste Mal war ich nicht laufend auf der Strecke unterwegs, sondern als Radbegleitung an der Seite von Hendrik Pfeiffer. Wobei man dazu sagen muss, dass dieser Rad-Support nicht ganz neu für mich/uns war.
Bei meiner ersten Homestory begleitete ich Hendrik bereits auf seinen Trainingsläufen. Als er während seiner Verletzungsphase ein paar Tage in Hamburg zu Besuch war, begleitete er mich auf meinen und puschte mich schließlich zu meiner damaligen Bestzeit über 10km bei den deutschen Meisterschaften in Hamburg.
Für Hendrik sprang am Sonntag zwar keine neue Bestzeit raus, aber mit seinen 2:13:39 Stunden sicherte er sich nicht nur den Sieg in Köln, sondern unterbot auch die geforderten 2:14 Stunden und qualifiziert sich damit für die Europameisterschaft in Berlin im kommenden Jahr.
Das war das Ziel und nach dem Monatelangen Ausfall ein siegreicher Wiedereinstieg ins Renngeschehen, das ich dank Radbegleitung von Anfang an mitverfolgen durfte.
Angefangen mit dem Technical-Briefing am Vorabend im Athletenhotel, bei dem nicht nur Hendriks Pacemaker Marius Probst, Patrick Kimmel und Mitku Seboka auf die anvisierte Pace (3:08min/km) eingestimmt wurden, sondern auch die Geleitmanier auf zwei Rädern nicht ungebrieft auf die Strecke losgelassen werden sollte.
Worauf musste ich also bei der Radbegleitung achten?
- Ich durfte Hendrik außerhalb der Verpflegungszonen keine Getränke reichen
- Ich durfte nicht vorne weg fahren, sondern musste hinter ihm bleiben
Ein Missachten würde sogar zu seiner Disqualifizierung führen. Ich gebe zu, da wurde mir etwas mulmig zumute. Schließlich geht es ja um etwas…
Beim Gedanken an mein Rad war es auch nicht viel besser: 42 Kilometer mit einer alten Klapperkiste ohne Gangschaltung – sportlich! Auch ich würde den Marathon also am Ende des Tages merken.
Trotzdem muss ich dazu sagen, dass meine ungedämpften Sitzhöcker auf diesem Sattel besser aufgehoben waren, als auf einem Rennrad. Zwar pesten die anderen mit ihrem Leichtgetriebe an mir vorbei und konnten nach etwaigen Boxenstopps auch schnell wieder aufholen, aber dafür saß ich zumindest bequem. Bedeutete aber auch, dass ich mir keine Pausen erlauben durfte bzw. das Tempo konstant halten musste.
Wie auch Hendrik, der im konstanten Tempo und starkem Schritt seinen Pacemakern folgte.
Laufen musst du trotzdem noch alleine
Der U23-Europameister Marius Probst zog ihn bis Kilometer sieben. Geplant waren mindestens zehn. Normalerweise ist Hendriks Vereinskollegeauf der Mittelstrecke Zuhause (bei der EM in Polen rannte er die 1.500m in 3:49,06 min) und musste sich schließlich frühzeitig dem Gegenwind geschlagen geben. Letztens Endes darf man die alleinige Führungsarbeit nicht unterschätzen.
Der zweite Pacemaker, Patrick Kimmel, begleitete ihn bis Kilometer 25. Danach übernahm Mitku Seboka die Führung, wobei auch Hendriks Trainer Tono Kirschbaum zwischendurch immer mal wieder einen Zettel zückte und die Zwischenzeiten kontrollierte.
Auch Tom Gröschel fuhr Hendrik immer mal wieder auf und gab puschende Zurufe von der Seite ab. Das waren neben dem Trinken bei den jeweiligen Verpflegungsstationen auch die einzigen Momente, wo Hendrik kurzzeitig seinen Tunnelblick verließ – denn ansonsten war der Fokus straight.
Ich hielt zuweilen Sicherheitsabstand bzw. nahm diesen dank meines semi-professionellen Gefährts zwangsläufig ein, denn ich kam teilweise nur schwer hinterher. Wo andere Kilometer drei passierten, war Hendrik bereits auf dem Rückweg entlang des Rheins an Kilometer elf vorbei. Wo die einen das erste Viertel hinter sich hatten, hatte Hendrik den Halbmarathon bereits 25 Sekunden unter den angepeilten 66 Minuten im Kasten.
Dieser Split war aber einerseits der besonderen Stimmung zu verdanken, die in der Domstadt nicht nur seitens der Zuschauer rüber schwappte. Auch die Läufer feuerten sich gegenseitig an. Während Hendrik also bereits auf der Gegengeraden unterwegs war, puschten ihn die Zurufe von den anderen Läufern auf der Parallelstraße.
Ich hielt mich weiterhin zurück bzw. hinter dem zweiten Führungsfahrzeug, das der Spitzengruppe folgte. Das war aber auch gut so, denn mit dem Bedienen der Technik (Handy in der einen, Lenkrad in der anderen und die GoPro in Brusthöhe) war ich schon genug gefordert und plötzliche Ausweichmanöver auf dem zum Teil sehr unebenen Pflaster oder die strengen 90-Grad-Kurven durch die Altstadt hätten durchaus nach hinten losgehen können. Frau hin oder her, jede Multitasking-Skills haben einen gewisses Strapazierfähigkeits-Limit.
Besonders aber in den engen Verwinkelungen staute sich der Jubel und man wurde im Sog der Zuschauer nach vorne gedrängt. Wenn ich – wie auf dem Foto – auch noch vorne mitmischen würde, wäre das Sturz- bzw. Auffahr-Risiko einfach zu groß.
Mein eigenes Rennen
Aber wie gesagt, dank Rad, Gegenwind und so manchen (glücklicherweise zurückhaltenden) Höhenmetern kam ich gar nicht so leicht in gefährliche Reichweite des rennenden Hotspots. Ich hatte sichtlich zu tun, was wohl auch die Zuschauer bemerkten und mich ebenfalls anfeuerten.
Es war also eine bewegte Sightseeing-Tour, die ich durchaus auch genießen konnte. Zudem hat man im Alltag nicht immer knapp 40 Kilometer freie Fahrt und darf offiziell über rote Ampeln düsen.
Für Hendrik war es natürlich weniger genussvoll und mein zwischenzeitiges Wehleiden muss spätestens jetzt ganz still werden, wenn man sich die Leistung des 24-Jährigen bewusst macht.
Die letzten 10km im Alleingang
Nachdem sich der letzte Pacemaker bei Kilometer 30 aus dem Rennen verabschiedete, war Hendrik sich selbst überlassen. Simon Stützel, der sich trotz Gips am Fuß das Spektakel nicht nehmen lassen wollte und im zweiten Führungsfahrzeug mitfuhr, lehnte sich auf dem letzten Viertel immer häufiger aus dem Fenster und gab lauthals Motivations-Schübe ab.
Die hielten Hendrik auch über Wasser, denn nach Kilometer 30 wurde es einfach nur noch ein Kampf. Ein alleiniger Kontermanöver gegen den sturen Wind, den brennenden Beinen, den lauthals streikenden Kopf und gegen das Verlangen, einfach stehen bzw. liegen zu bleiben.
Der Junge kann beißen
Irgendwie fand und leerte er noch einmal versteckte Restdepots und holte sich nach 2:13:39 Stunden verdient den Sieg und die EM-Quali.
Ich selbst parkte mein Bike sicher hinter dem Ziel, trennte mich von meiner durchgeschwitzten Kleidung, schlüpfte frisch geduscht wieder in trockene und sprang direkt in den nächsten IC zurück nach Hamburg.