Eigentlich wollte ich am Sonntag beim 44. Berlin-MARATHON selbst an der Startlinie stehen. Doch am Ende ließ ich mich trotz ausgedrucktem Startpass und ansteckendem Fieber, die ein solcher prestigereicher Kurs mit sich bringt, nicht zum spontanen Kaltstart verführen.
Ja, ich bin standhaft geblieben. Vielleicht auch, weil ich eingesehen habe, dass ich die Kipchoge-Pace nicht halten könnte, um den Sieger noch rechtzeitig im Ziel abzufangen und mir mein Zielfoto zu sichern.
Gleich drei Spitzenläufer waren auf den Weltrekord aus. Demnach musste sich die rasende Reporterin entscheiden. Und es war in jedem Fall die richtige Entscheidung, das Rennen als journalistischer Streckenposten mitzuverfolgen. Obwohl ich nicht selbst gelaufen bin, wurde ich meinem Motto „Mittendrin, anstatt nur dabei“ gerecht und sicherte mir exklusive Einblicke.
Das verlangt, sich gegebenenfalls in abgesperrte Bereiche zu mogeln, zu denen selbst der Presseausweis kein Zutritt gewährt. Sicherlich bin ich dank meines zarten Wesens und der Überbeweglichkeit hier klar im Vorteil über jenen sperrigen Fotografen mit ihren XXL Objektiven.
Meine nachgesagte Raserei kommt nicht nur auf der Strecke zum Einsatz, sondern verhilft mir, rasend schnell in verbotene Areale vorzudringen. Oder im überlaufenen Gedränge zeigen sich sekundenhafte Lücken auf, die es nur galant zu nutzen gilt.
Nicht aufgeben!
Natürlich wurde auch ich das ein UND andere Mal von der Strecke verwiesen, aber unterm Strich habe ich das bekommen, was das Reporterherz begehrt. Bedeutet: immer dran bleiben und sich nicht entmutigen lassen. Wie es auch alle Do-Not-Finisher beherzigen sollten.
Rein journalistisch war der Marathon ein voller Erfolg und Sportveranstaltungen wie diese – so stressig und überfüllt sie zuweilen auch sein mögen – zeigen mir jedes Mal wieder, dass ich meine Leidenschaft zum Beruf gemacht habe. Bzw. gleich zwei Leidenschaften – das Schreiben und das Laufen, obwohl ich Letzterem wie gesagt dieses Mal nicht nachgegangen bin.
Grund war nicht nur die realistische Einschätzung, dass es zwischen Eliud Kipchoge und mir trotz recht guter Form äußerst knapp werden würde.
Ein weiterer Grund war, dass die Vorbereitung einfach zu kurz ausfiel und eine neue Bestzeit über die 42,195km trotz schneller Strecke eher unwahrscheinlich wäre. Ich hatte einfach zu wenige Longruns abspulen können. Außerdem war der Kopf seit Frankfurt (mein zweiter Marathon) nicht auf lang gepolt und ich wollte mich lieber auf den kürzeren Strecken austoben.
Also warum sollte ich irgendetwas erzwingen, was in diesem Jahr vielleicht einfach nicht sein sollte. Den Marathon auch nur irgendwie zu laufen, war dann auch nicht mein Anspruch und die Energie, die ich dabei nur unnötig verlieren würde, zu schade.
So besonders also ein Startplatz in Berlin auch sein mag, ich konzentrierte mich auf meine zweite Vorliebe: Den Sportjournalismus, wo ich inmitten der Spitzenläufer mein kreatives Unwesen treibe.
Mal nur Reporterin sein
Es war die richtige Entscheidung, auch wenn die Bedingungen mit Regenschwaden, häufigen Umwegen (dank Absperrungen – aber die Sicherheit geht nun Mal vor) und lästigem Laster auf dem Rücken (ich musste mit meinem Reisegepäck von A nach B hetzen) nicht optimal waren.
Auch auf so manche Rennausgänge – wie beispielsweise das ergreifende DNF von Philipp Pflieger hätte ich lieber verzichtet.
Aber auch das gehört zum Sport dazu – Höhen und Tiefen. Erfolg und Misserfolg. Freude und Enttäuschung. Und obwohl der Journalismus Neutralität und Objektivität verlangt, kann ich mein Herz nicht immer stumm schalten und fiebere als Läuferin einfach mit. Deshalb wird ein Wochenende wie das Vergangene in Berlin zu einem besonderen Erlebnis, das mich emotional mitnimmt – aber größtenteils doch positiv gestimmt hat.
Eindrücke sortieren und festhalten
Meistens sitze ich dann glücklich erleichtert im Flixbus oder Zug und fahre Heim, während ich die Eindrücke noch einmal schriftlich Revue passieren lasse…
Ein starkes Comeback der 27-Jährigen Anna Hahner, bei dem sie mit 02:28:34 Stunden schnellste Deutsche wurde und bei den Frauen insgesamt den fünften Patz belegen konnte.
Genauso eindrucksvoll das Rennen von Fabienne Amrhein. Die 24-Jährige kam bei ihrem Marathon-Debüt als zweite Deutsche und insgesamt elfte Frau nach starken 02:34:14 Stunden ins Ziel.
‚Nur Reporterin‘ und trotzdem überfordert – danke an Regina!
Gleichzeitig wurde mir trotz manch widriger Umstände die Arbeit einfacher gemacht. Regina (eine gute Freundin und die Frau des amtierenden Deutschen Meisters im Halbmarathon Philipp Baar) stand mir unterstützend zur Seite. Bereits am Vortag begleitete sie mich auf unzähligen Schritten und war der freundschaftliche Clou, wenn mir das Multitasking-Gehabe (Schreiben, Fotografieren, Live-Tickern, Drängeln, Überholen, Verpassen und Einholen) teilweise zu Kopf stieg.
Außerdem hat es mir wieder eine weitere wertvolle Sache gezeigt: Die Menschen, die ich durch meine Arbeit kennenlerne, bereichern nicht nur mein journalistisches Dasein, sondern es sind häufig auch neu gewonnene Freundschaften. Und das ist ein Mit-Grund, warum es sich nicht wie Arbeit anfühlt.