Schon beim Start kam sie mir bekannt vor… auch während des Rennens rannte sie mir immer wieder vor die (gedanklichen – „…wer ist das noch gleich?“) Füße… aber spätestens nach dem Wettkampf, als sie mich trotz meiner überfluteten Verschwitztheit freudig in den Arm nahm und sich vorstellte, fiel der Groschen:
Die Rede ist von Nadine Franke, die ich bislang hauptsächlich nur aus den sozialen Netzwerken ‚kannte‘.
Bei jenem besagten Wettkampf in Jena, als gefühlt die ganze Stadt zum Firmenlauf über 5km mobilisiert wurde, zeigte sich mir nach Facebook endlich auch das reale Gesicht.
Und dieses gehörte nicht nur einer leidenschaftlichen Läuferin, wie es ihre Posts immer verrieten, sondern es war auch das einer Mutter.
Das hat mich persönlich überrascht. Einerseits, weil ich mir zunächst nicht vorstellen konnte, dass Nadine bereits eine 12-jährige Tochter – namens Milla – hatte. Aber anderseits schaut man selten einfach Mal auf die wertvollen Nebenschauplätze einer Person und definiert den Sportler oft nur rein nach Leistung.
Hinter jedem Sportler steckt auch nur ein Mensch
Natürlich muss sich keiner in das private Netzwerk eines anderen hecken. Es heißt nicht grundlos ‚privat‘ und wenn Sportler unter sich sind, teilen sie eine Leidenschaft, aber nicht gleich das ganze Leben. Wie auch zwischen Nadine und mir das Laufen eine Schnittstelle unseres Alltags ist – der Rest aber lebt jeder für sich weiter.
Dennoch verdient dieses persönliche Netzwerk besondere Aufmerksamkeit – besonders seitens der Medien. Denn jenes Netzwerk basiert nicht nur auf Freundschaftsanfragen, sondern auf aufrichtigen Zusagen.
Familie und Freunde sind es, die zu einem stehen, wenn das Bild nach Außen aufgrund fehlender Leistungen nicht mehr lukrativ erscheint. Sie sind es, die einen auffangen und nicht einfach abstürzen lassen, wenn der Akku versagt.
In den sozialen Netzwerken kursieren Geschichten, Momentaufnahmen und Emotionen (bzw. Emojis). Es ist nicht selten ein medial projiziertes Bild und wir basteln uns unsere Wahrheit dazu.
Umso wichtiger ist es mir, genau diese Geschichten zu erzählen. Damit wir Leistungen wirklich einschätzen können und nicht blind ‚Likes‘ verteilen, wo doch ein anderer vermeintlicher Misserfolg vielleicht das ‚Like‘ mehr verdient hätte?!
Trotzdem lässt sich über die sozialen Netzwerke wertvolle Kontakte knüpfen. Und manchmal bekommt man die Gelegenheit, diese auch in real kennenzulernen – wie ich Nadine und ihre Tochter Milla.
So geht das eine Netzwerke ins reale über und auch intern sind Familie und Sport nicht immer zwei getrennte Dinge. Und da wären wir wieder bei Nadine Franke und ihrer Tochter Milla.
Der Sport gehörte bei Nadine bereits in den jungen Jahren dazu, bis ihr im Alter von 12 Jahren erst einmal andere Dinge wichtiger waren als zu laufen.
Es lief zwar irgendwie, aber nicht wirklich. Ein unsteter Lebenswandel.
Bis sie mit Nordic Walking wieder auf die richtige Spur fand, irgendwann wieder die ersten Minute zu laufen anfing und schließlich ihren ersten Wettkampf über 10km bestritt. Und seither hält sie am Laufen fest.
Neben aktuell am liebsten Halbmarathon, lief sie bislang auch schon zwei Mal einen Marathon, wobei sie mit ihren 3:18h in Dresden einen Landesrekord in der W35 aufstellen konnte und dieser Rekord ist nach wie vor gültig.
„Ich rauche nicht mehr. Ich ernähre mich gesünder. Ich bin zielstrebiger. Ich bin selbstbewusster geworden.“
Das Laufen wurde allmählich zu einer Konstante im Leben, die ihr eine gewisse Beständigkeit als auch Selbstvertrauen geben konnte. Die sie immer wieder ins Hier und Jetzt zurückholt, wenn man alles drum herum am liebsten ausblenden möchte.
Aber jeder muss seinen Weg selbst finden
Die Laufggene hat sich Milla schon mal gesichert und das Laufen auch vorgelebt bekommen:
„Ich habe immer gesehen, wenn sie ihre Laufsachen angezogen hat. Da habe ich mir wahrscheinlich etwas von ihrer Leidenschaft abgeschaut.“
Aber das wäre es dann auch schon: Passende Gene, Vorbild sein…
Nadine: „Der Rest liegt bei ihr.“
Zwar waren beide schon einmal zusammen laufen, aber „das hat nicht so gut geklappt. Wir hatten und haben einfach zu unterschiedliche Geschwindigkeiten und verschiedene Laufstile.“
Jeder läuft seinen Weg und in der Mitte trifft man sich trotzdem:
„Ich fahre sie zum Training und zu den Wettkämpfen und gebe ihr Tipps und Ratschläge.“
Aber dann liegt es auch wieder an einem selbst, was man wie daraus macht.
„Milla läuft ohne Taktik und trotzdem ist sie erfolgreich. Gemessen an ihren Trainingsumfängen hat sie schon viele Läufe gewonnen. Sie könnte sicher noch schneller sein.“
Die ersten Trainingsstunden aber gebührten dem Handball.
„Ich habe mich auch in Karate ausprobiert. Da habe ich schnell gemerkt, dass ich nicht das Talent für diesen Sport habe.“
Ganz anders war das beim Laufen
„Bei Cross-Wettkämpfen war ich immer die Schnellste in meiner Altersklasse. Auch gegen gleichaltrige Jungen habe ich gewonnen, obwohl ich dafür gar nicht trainiert habe. Da habe ich gemerkt, dass es mir Spaß macht.“
Endlich ging es rüber zu den Leichtathleten und dort fiel die Entscheidung natürlich aufs Laufen und die kürzeren Strecken – sprich besonders 800m, mit denen Milla sich bereits einen Hallenlandesmeisterin (2:34:32min) erlaufen konnte.
„Irgendwann will ich die zwei Stadionrunden unter 2:30 Minuten laufen.“
Aber eigentlich ist sie mehr für die Crossstrecke.
„Ich kann mir aber schon gut vorstellen, irgendwann auch mal fünf oder mehr Kilometer zu laufen. Ich mache mir aber jetzt keinen Druck. Ich habe die Zukunft noch vor mir.“
Stückweise nach vorn. Was zugleich auch Millas Stärke im Rennen ist:
„Zu Beginn bin ich immer am Schluss des Feldes. Ich arbeite mich dann nach vorn. Auf den letzten 200 Metern überhole ich die Erste und auf den letzten 100 Meter sprinte ich dann.“
Nadines Stärke liegt eher auf den längeren Distanzen, was schon der Rekord über die 42,195km gezeigt hat. Und auch sie darf sich wie ihre Tochter den Landesmeistertitel anhfeten. Über 10.000m rannte sie sogar mehrfach zum Sieg.
Im Saale-Holzland-Kreis haben sich beide Sportlerinnen auf jeden Fall schon einen Namen gemacht, sodass Nadine dort 2015 nicht grundlos Sportlerin des Jahres wurde und Milla mit dem zweiten Platz bei der Nachwuchssportlerin des Jahres 2016 nachzieht.
Eine besondere Geschichte in jedem Fall, die scheinbar von Generation zu Generation weitergeschrieben wird.