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Fangen wir einmal ganz unspektakulär an: Markus Jürgens ist 30 Jahre alt und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Instituts für Sportwissenschaften der Universität Münster.

Die Story könnte einen eher trägen Spannungsbogen haben, wenn ich euch nur Details aus dem Alltag eines wissenschaftlichen Mitarbeiters erzähle. Aber keine Sorge, denn der Spannungsbogen macht außerhalb des Instituts einen drastischen Ausfallschritt – und zwar rückwärts!

Markus im Septemebr 2014 beim Teekottenlauf über 5km; Fotocredit:Alfred Kuzmik

Für einen Marathon braucht man davon aber mehr als nur einen und am besten nicht all zu langsam, wenn man wie Markus einen neuen Weltrekord im Rückwärtslaufen aufstellen möchte!

Richtig gehört. Der gute Markus rannte den Hannover Marathon im vergangenen Jahr in stolzen 3 Stunden, 38 Minuten und 27 Sekunden. Im Schnitt also 11 km/h, mit denen er an seine vorwärtslaufenden Mitstreiter rückwärts vorbei lief.

Markus beim Hannover Marathon und neuem Weltrekord im Rückwärtslaufen. Fotocredit: Uli Engelhardt

Nach vorne geht’s auch rückwärts!

Fast schon deprimierend, wenn wer rückwärts laufend daherkommt und alle anderen hinter bzw. ‚vor‘ sich lässt. Mit Platz 505 insgesamt von knapp 20.000 Vorwärtslaufenden kamen da schon einige zusammen, denen er während seinen Überholmanöver ‚entgegen davonlief‘.

Deprimierend einerseits, motivierend andererseits! Denn wer denkt noch ans Aufgeben, während ein anderer rückwärts finisht?! Da wird jede zweifelnde Kopfstimme mundtot gemacht.

In diesem Sinne: Danke Markus, denn du hast die endgültige Finisher-Zahl sicherlich zum Teil mitzuverantworten. Und dabei hast du ja selbst genug mit deinem Lauf zu tun gehabt!

Vorsicht bitte!

Markus im Sommer 2014 bei der WM im Halbmarathon; Fotocredit: Gruppo Monte Cervino

Schließlich läuft man irgendwie ins Nichts, sofern man keinen Mitläufer hat, der als Navi fungiert und ansagt, wo es lang geht. Oder es endet mit einer Nackensteife, nachdem man zich Male über seine Schulter geschaut hat.

Trotzdem hat Markus irgendwie Gefallen an diesem Laufstil gefunden. Warum?

Das ist eine gute Frage. Ich stelle sie mir allerdings gar nicht mehr. Wenn man einmal mit dem Rückwärtslaufvirus infiziert ist, will man gar nicht mehr aufhören. Rückwärtslaufen ist für mich ein Mix aus sportlicher Herausforderung und der Möglichkeit, etwas Außergewöhnliches zu tun.

Wobei er diese Bewegung mittlerweile so verinnerlicht hat, dass es ihm gar nicht mehr ungewöhnlich vorkommt.

Ich frage mich höchstens, wie viele Kilometer es denn heute werden sollen. Beim Rückwärtslaufen muss ich mich permanent auf die Laufbewegung und auf die Strecke konzentrieren, so dass ich prima abschalten kann.

Fotocredit: Powerman Zofingen

Wie wird man Rückwärtsläufer?

Man sollte eine gewisse Grundausdauer und Schnelligkeit vom Vorwärtslaufen mitbringen. Dann heißt es, erst einmal in ein bis zwei Monaten die Muskeln und Sehnen langsam an das neue Laufen zu gewöhnen und schließlich sollte man alle normalen Trainingseinheiten auch rückwärts absolvieren können.

Ich musste das Laufen quasi auch noch einmal neu lernen. Nach meinen ersten zehn Kilometer, die ich am Stück rückwärts gelaufenen bin, war ich genauso stolz wie vor ca. zwölf Jahren nach meinen ersten zehn vorwärts. Die Muskulatur und Sehnen haben sich bei mir schnell angepasst und die neue Fortbewegungsart fühlte sich von Anfang an sehr gut an.

Es geht steil Berg auf – natürlich rückwärts!

Bereits nach nur vier Monaten konnte Markus bei seiner ersten WM Teilnahme im August 2014 in Italien direkt den Halbmarathon gewinnen. Im September 2014 ist er dann spontan seinen ersten Marathon in Münster komplett rückwärts gelaufen. 2016 folgte dann der Zweite und 2017 der glorreiche Dritte in Hannover mit dem besagten Weltrekord.

Sieg für Markus 2014 bei der Halbmarathon WM; Fotocredit: Eric Salomon

Durch die vielen Kilometer rückwärts konnte er sich auch vorwärts verbessern. Das lag vielleicht auch an der nun ausgeprägteren Wadenmuskulatur, die das schnelle Laufen auf dem Vorfuß einfacher macht.

Man läuft quasi permanent auf dem Vorfuß. Da ich beim Vorwärtslaufen normalerweise kein Vorfußläufer bin, musste ich am Anfang die Muskulatur und Sehnen langsam an die neue Belastung heranführen. Vor allen Dingen die Wadenmuskulatur und die Achilles- Sehne werden stärker beansprucht.

„Alles und viel!“

Das ist Markus‘ sportlicher Leitsatz. Je mehr Kilometer er läuft, desto mehr Spaß hat er dabei und neben dem Laufen (vorwärts und rückwärts) fährt er dann noch Rennrad und geht schwimmen.

Der Knackpunkt bleibt wie zu erwarten die Orientierung!

Im Training laufe ich fast nur Strecken, die ich schon unzählige Male gelaufen bin. Hier kenne ich jede Bordsteinkante und jedes Schlagloch. Ich wähle die Strecke gerne so, dass ich viele geradeaus Passagen habe und mich an der Bordsteinkante oder an der Straßenpflasterung orientieren kann, so dass ich mich nicht so oft umdrehen muss. So kann es dann auch schon einmal sein, dass ich 200m laufe ohne mich umzudrehen.

Hierbei verlässt sich Markus auch auf andere Sinnesorgane und sieht manchmal einfach mit den Ohren. Bei seinen drei Marathonläufen hatte er jedoch jedes Mal eine Begleitung, die ihn auf Gefahren und Kurven hingewiesen hat.

Seine Freundin Jenny ist stets an seiner Seite… bzw. vor ihm; Fotocredit: Powerman Zofingen

Allerdings ist ein Marathon mit Tausenden Teilnehmern noch einmal eine extra Herausforderung. Denn selbst vorwärts tritt man sich häufiger auf die Füße, muss  plötzlich nach links oder rechts ausweichen, überholen, durch enge Passagen kommen…

Aber damit nicht genug!

Anfang September ist Markus im Rahmen des Rekener 24h Laufs 100km rückwärts gelaufen. Sein Motto „Alles und viel!“ wird er also mehr als gerecht.

Meine Freundin Jenny Wehmschulte war wie immer an meiner Seite und ist die ganze Zeit als mein ‚drittes Auge‘ mitgelaufen. Mittlerweile whabe ich sie aber auch mit dem Rückwärtslaufvirus angesteckt und im Februar 2018 rannte sie ihren ersten Halbmarathon komplett rückwärts.

Im Sommer 2018 plant Markus schließlich einen weiteren Weltrekord im Rückwärtslaufen aufzustellen – dieses Mal aber über 100km!

Markus ist also immer für Überraschungen gut. Passend natürlich auch zum ersten April: Mit einer VR-Brille und einer 360° Kamera ausgestattet. Have look auf seiner Homepage, Facebook  oder Instagram. Einfach ein cooler und beeindruckender Typ. Ich bin gespannt, was noch so kommt!

 

Fotocredit des Beitragsbildes: Hubertus Festring

Von Ramona