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Wer kennt sie nicht, die Höhen und Tiefen im Leben eines Leistungssportlers. Erfolge und Niederlagen gehören einfach dazu und lassen sowohl das eine als auch das andere in einem anderen Kontext sehen und vor allem verstehen. Wir als Außenstehende bekommen meist aber nur den Erfolg oder die Niederlage als Schlagzeile zu lesen, aber was zwischen diesen emotionalen Höhepunkten passiert ist, wissen wir nicht. Wir sehen nur, aber verstehen im Gegensatz zu dem Athleten nicht, was ihm/ihr dieser Erfolg wirklich wert ist und ob nicht bereits die vermeintliche Niederlage ein persönlicher Fortschritt bedeutet – beispielsweise nach einer längeren Verletzung.

Wissen, dass man eigentlich nichts weiß

Mit diesen Bruchstücken vom Ganzen werden wir nicht nur im Sportbereich konfrontiert, sondern überall im Leben. Es fängt auf dem Weg zur Arbeit an, während wir im Stillen in die U-Bahn steigen und in leere Gesichter blicken, wobei diese häufig doch abgewendet Richtung Handy schauen. Jeder ist in seiner Welt. Wie groß oder wie klein diese ist und was in ihr passiert, wissen wir nicht. Wir machen uns nur ein oberflächliches Bild jener Situation oder verschaffen uns einen flüchtigen Eindruck jener Person und legen diese Nichts sagende Meinung zu den anderen Verallgemeinerungen in unserem Gedächtnis ab. Bewusst oder unbewusst – wir bewerten ständig, ohne die wirklichen Hintergründe zu kennen.

Wir kennen Personen, die sich gerne mal unwissend aufspielen und zu allem ihr Senf abgeben. Oder die, die aus einer Nichtigkeit ein Skandal zaubern können. Die jeden Nebensatz hören und jedes Wort auf die Waagschale legen, um irgendeine erzählenswerte Story daraus zu texten. Gemeines Halbwissen, wenn’s hochkommt, das mit einer provokanten Schlagzeile eingeleitet wird.

Und der Betroffene? Wird mit jenen Falschaussagen konfrontiert und versucht sich zu rechtfertigen, sofern er nicht bereits die Erfahrung gemacht hat, dass dies nichts bringt und eigentlich nur Kraft kostet. Schließlich kann man es nicht allen recht machen. Und warum das Außen beschwichtigen, wenn man gerade selber mit der Situation oder dem Ausgang eines Rennens unzufrieden ist. Anstatt sich also im Eifer der öffentlichen Stellungnahme selbst aus den Augen zu verlieren, sollte man weiter sein Ding durchziehen! Ganz nach dem Motto: Denk doch, was du willst, während ich es MIR beweise. Dass du es damit zwangsläufig auch allen Zweiflern und Kritikern beweist, ist sowieso der Fall, aber es sollte nicht dein Ansporn sein.

Ein Blick hinter die Kulissen, ein Schritt ins Geschehen

Ich habe Hendrik Pfeiffer erlebt. Ich habe ihn gewinnen und verlieren sehen. Ich habe mit ihm sprechen dürfen und manchmal auch nur wortlose Blicke deuten können. Ich habe glückliche Schmerzen nachempfunden, aber auch den unterdrückten, den die wenigsten zeigen. Ich habe mutmachende Worte finden wollen, aber auch schnell gemerkt, wenn sie nichts bringen. Ich habe gelernt, zu relativieren, mehr zu sehen, als mir die Anzeigetafel zeigt. Ich habe neuen Glauben geschöpft, dass auch hinter Höchstleistungen ehrliche Ambitionen und fairer Kampfgeist stecken. Ich habe respektvoll zu schätzen gelernt, dass es nicht nur manchmal keine Ausreden gibt, wenn man ein wirkliches Ziel vor Augen hat. 

Der Weg hierher war lang, aber Marathonläufer Hendrik Pfeiffer durfte sich nach vier mutwilligen und zielsicheren Jahren für seinen Kampfgeist mit seinem Rennen in Sevilla am 23. Februar 2020 in Sevilla belohnen und seine stillen Erwartungen mit einer Zeit von 2:10:18 Stunden sogar übertreffen. Fotocredit: privat

Aber Hendrik hat mir am Ende vor allem auch eine Sache gezeigt: Sage niemals nie und gebe dich selbst nicht auf, auch wenn du zurecht zu zweifeln beginnst. Manchmal muss man einfach alles auf eine Karte stecken und wenn dies nicht gelingt, hat man immer noch ein Ass im Ärmel. Solange das Herz leidenschaftlich schlägt und der Kopf die Ausdauer hat, dann kommt dieser eine Moment, hinter den man vier Jahre lang trotz immer wiederkehrenden Sackgassen hinterher war. Dann kommt jener lang ersehnte Erfolg, der innerlich noch viel größer ist, als im Außen erkennbar. Glückwünsche tun immer gut, aber das größte Lob darf eigentlich nur einer aussprechen. Derjenige, der das Ganze am eigenen Leib durchgemacht und siegreich zu Ende geführt hat.

Wobei dieses “Ende“ – Hendriks erfolgreicher Zieleinlauf nach 2:10:18 Stunden in Sevilla am 23.02.2020 – eigentlich erst der Anfang ist. Der Anfang eines Kapitels, worauf ein jeder Leistungssportler seine Karriere hinarbeitet: Die olympischen Spiele, die in diesem Jahr in Tokio stattfinden und für die auch Hendrik hoffentlich wieder eine offizielle Einladung bekommt und die er dieses Mal hoffentlich auch gesund annehmen kann.

Die Daumen sind also weiter gedrückt, denn jetzt geht es erst so richtig los!

Die Bilder in diesem Beitrag sind privat / Hendrik Pfeiffer

Von Ramona